Die Mannschaft jubelt geschlossen vor der Ostkurve.
Profis | 7. Mai 2023, 11:00 Uhr

Der erste Schritt

Erleichterung – spürbare, sichtbare und überall greifbare Erleichterung herrschte im blau-weißen Lager nach dem so essenziellen 2:1-Sieg gegen den VfB Stuttgart. Dazu reichte nach Schlusspfiff ein Blick gen Ostkurve, wo sich unsere Mannschaft den verdienten Applaus abholte und eingehakt zur Anhängerschaft gewandt unsere Vereinshymne sang. „Wir haben vor der Partie gesagt, dass wir alles geben - das haben wir als Kollektiv bewiesen. Die Unterstützung der Fans war dabei wie immer überwältigend“, sortierte Oliver Christensen die Emotionen nach dem befreienden Jubel ein. Doch schon beim Gang in die Kabine veränderten sich die Mimik und Gestik unserer Nummer 1 und den Kollegen. Freude wich Entschlossenheit. „Das war ein erster und wichtiger Schritt, aber eben nur einer!“, schwor Florian Niederlechner unsere Alte Dame auf die nächsten Aufgaben ein (Die Stimmen zum Spiel).

Körpersprache und Wille

Dass die Hoffnung auf den Klassenerhalt auch nach dem 31. Spieltag noch lebt, lag an den aufopferungsvollen und leidenschaftlichen 90 Minuten unserer Herthaner. „Die Art und Weise, wie die Mannschaft den Gegner dahin gelenkt hat, wo wir ihn haben wollten, hat mir gefallen. Wir sind Herr gewesen – gegen und mit dem Ball. Die Spieler haben sehr gut gearbeitet, auch die Abstände haben gepasst“, analysierte Pál Dárdai auf der Pressekonferenz. Nach ersten frühen Abschlüssen gelang unserem Team das, was in den Vorwochen so oft gefehlt hatte: die Führung. Marc Kempf war mit dem Kopf zur Stelle und setzte sich dabei exemplarisch an diesem Nachmittag gegen zwei Mann durch (29.). „Es ist sehr schön, dass ich der Gruppe in einem so bedeutsamen Spiel helfen konnte. Als Verteidiger ist es immer etwas Besonderes, ein Tor zu machen“, sagte unsere Nummer 20.

[>]
Das war ein erster und wichtiger Schritt, aber eben nur einer!
[<]

-Florian Niederlechner

Auf einen Treffer mit Fahne auf der Brust hatte Angreifer Niederlechner 633 Minuten warten müssen. Gegen die zuletzt in der Liga vier Mal ungeschlagenen Schwaben war es dann endlich so weit. Ein besseres Timing hätte sich der Stürmer nach dem zwischenzeitlichen Ausgleich der Gäste durch Serhou Guirassy (38.) wohl kaum wünschen können. „Eigentlich war mein erstes Tor für Hertha zu spät. Aber ich wusste, dass der Moment kommen würde, wenn ich weiter hart arbeite“, sagte der 32-Jährige, der mit Blick auf die Szene, die das Olympiastadion in Ekstase versetzte, verschmitzt zugab. „Es war sicher nicht der schönste Treffer, aber doppelt so wichtig, weil wir die drei Punkte geholt haben.“ Wie dem auch sei, Lob gab es für den ehemaligen Augsburger vom Chef persönlich. „Flo ist ein wichtiger Spieler für uns. Er ist erfahren und weiß, wann er pressen muss. Nicht nur wegen des 2:1 hat er eine Riesenpartie gemacht“, so Dárdai.

Bildergalerie: Die Bilder zum Spiel: Hertha BSC - VfB Stuttgart

Hertha lebt – Arbeit an Kontern

Der Fußballlehrer fand aber auch selbstkritische Worte, ihm missfiel nach dem Seitenwechsel vor allem das Umschaltspiel. „Wir haben dem Gegner in der zweiten Halbzeit mehr Platz gegeben, haben es aber verpasst, die Konter besser auszuführen. Wir hatten bestimmt zehn gute Balleroberungen, sind aber nicht zum Abschluss gekommen“, monierte der Ungar, der sich wie das Gros der 63.433 Zuschauerinnen und Zuschauer das dritte, wohl entscheidende Tor gewünscht hatte. So mussten alle Blau-Weißen eine nervenaufreibende Schlussphase überstehen, ehe der sechste Saisonsieg eingetütet war. Oder wie Maximilian Mittelstädt es formulierte: „Alle haben sich in die Bälle geworfen und das bis tief in die Nachspielzeit. Wir haben zusammen verteidigt, zusammen angegriffen und uns zusammen die drei Punkte verdient.“

Unser Linksfuß weiß jedoch sehr wohl, dass er mit seinen Teamkollegen noch mehr Zähler einfahren muss, um den Klassenerhalt zu erreichen. Dabei bewertet er das Erfolgserlebnis gegen den direkten Konkurrenten aus Stuttgart nicht über, nimmt aber Positives mit. „Diese Begegnung hat gezeigt, dass wir zurecht noch glauben dürfen. Wenn wir den Glauben an uns nicht hätten, bräuchten wir gar nicht mehr antreten“, sagte der 26-Jährige und gab die Devise vor: „In die nächsten Wochen müssen wir mit genau dieser Mentalität, mit genau dieser Intensität und Geschlossenheit gehen. Dann haben wir noch alle Chancen. Wir haben gezeigt, dass wir noch leben!“

[>]
Wir stehen als Mannschaft zusammen! Alle auf dem Feld, alle auf der Bank haben mitgemacht. Das ist in dieser Phase ganz wichtig.
[<]

-Marc Kempf

Volle Konzentration auf Köln

Die Möglichkeit, sich zumindest in die Relegation zu retten, würde ein Erfolg unserer Spreeathener am kommenden Freitag beim 1. FC Köln (12.05.23, 20:30 Uhr) in jedem Fall erhöhen. „Wir müssen jetzt dranbleiben, in Köln nachlegen. Denn ab sofort zählt nur das. Das müssen wir gemeinsam schaffen!“, forderte Marvin Plattenhardt. Kempf verdeutlichte: „Wir stehen als Mannschaft zusammen! Alle auf dem Feld, alle auf der Bank haben mitgemacht. Das ist in dieser Phase ganz wichtig.“ Ein Triumph in der Domstadt wäre der nächste, der zweite Schritt im Schlussspurt und der zweite von vier Dreiern. Vier Dreiern, die Pál Dárdai unter der Woche eingefordert hatte.  

Unseren Nachbericht gibt es auch in Leichter Sprache.

von Florian Waldkötter