Selim Telib beim Testspiel der Profis gegen Havelse.
Akademie | 1. Oktober 2025, 17:00 Uhr

Über Ägypten nach Chile: Ein Berliner Weg

Normalerweise wäre Selim Telib am Freitagabend auf dem Olympiagelände im Einsatz gewesen, genauer gesagt im Stadion auf dem Wurfplatz/Amateurstadion. Doch anstatt als Stammspieler unserer U23 unter Flutlicht gegen Rot-Weiß Erfurt um Punkte in der Regionalliga Nordost zu spielen, fand sich unser Eigengewächs im Estadio Nacional de Chile wieder. Dort startete ‚Mimo‘ mit der ägyptischen U20 gegen Japan in die Weltmeisterschaft. „Als ich die Einladung bekommen habe und Hertha das OK gegeben hat, war ich einfach überglücklich, Teil von so etwas sein und das Land Ägypten vertreten zu dürfen. Freunde und Familie haben sich mit mir gefreut, so etwas erlebt man als Fußballer schließlich nicht alle Tage, vielleicht nur einmal im Leben. Früher habe ich vor dem Fernseher mitgefiebert, und jetzt selbst bei einer solchen Weltmeisterschaft zu spielen, erfüllt mich mit enormem Stolz“, berichtet der Herthaner, der direkt in der Startformation der Nordafrikaner stand. 

Dankbar für die Akademie-Ausbildung

Die Turnierteilnahme ermöglicht dem Reinickendorfer, der seit 2017 die Fahne auf der Brust trägt, völlig neue Erfahrungen. „Ich habe noch nie so weit entfernt von Berlin Fußball gespielt. Mit der U23 war ich schon in England, durfte mit den Profis reisen. Abgesehen von einem Lehrgang in Ägypten ist das hier aber etwas völlig Neues!“ Neue Situationen und Herausforderungen, auf die sich der Akademie-Absolvent aber bestens vorbereitet fühlt. „Ich kann dieses Turnier dank der Ausbildung bei Hertha, die zu den besten in Deutschland zählt, selbstbewusst angehen! Mir ist alles mit auf den Weg gegeben worden“, erklärt der Blau-Weiße lächelnd. 

In der Vorbereitung sammelte der Rechtsfuß spannende Eindrücke. „Die Zweikampfintensität im Training ist hoch, gefühlt wie im Spiel selbst. In Deutschland schenkt sich auch niemand etwas, aber hier wird in den Einheiten schon gut gegrätscht“, schmunzelt Telib. „Es soll eine andere Art von Fußball gespielt werden, deshalb liegen die Schwerpunkte auch ein bisschen anders: Mehr Defensive, weniger mit Ball.“ Eine Umstellung und neue fußballerische Impulse. In den eigenen Abläufen versucht der 19-Jährige hingegen „in meiner Routine zu bleiben – was nicht immer einfach ist, da die Ägypter einen etwas anderen Tagesablauf haben. Aufgrund der Hitze trainiert man eher spät abends und regeneriert tagsüber im Zimmer. Ich stehe trotzdem normal auf, mache etwas Krafttraining, gehe auch mal raus. Dieser Rhythmus liegt mir.“ 

Der Rhythmus und die eigene Arbeit führten ihn auf seinem Berliner Weg am vergangenen Samstag (27.09.25) zum eingangs erwähnten Auftaktspiel gegen die Japaner in Santiago. „Es waren 15.000 Menschen da, ins Stadion passen deutlich mehr, deshalb hat es sich gar nicht so voll angefühlt. Aber trotzdem war das unglaublich. Ich hatte mich besonders auf dieses Spiel gefreut. Die erste Partie in diesem Wettbewerb, das erste WM-Spiel! So etwas hatte ich noch nie erlebt: Die Medienpräsenz, ein großes Stadion, überall steht FIFA – eine ganz besondere Erfahrung“, reflektiert Telib. Auf dem Grün des rund 50.000 Fans fassenden Stadions mussten sich die Pharaonen den Samurai Blue allerdings mit 0:2 (0:1) geschlagen geben. „Leider lief die Begegnung nicht so, wie wir uns das vorgestellt hatten. Wir haben einen Elfmeter gegen uns bekommen, sind dann einem Rückstand hinterhergelaufen und waren insgesamt zu passiv“, konstatierte der Mittelfeldspieler im Anschluss.

Chile als letzte Ausfahrt für den Traum vom Achtelfinale

Am Dienstagabend ging es dann im zweiten Gruppenspiel gegen Neuseeland – leider blieben die Ägypter, bei denen unser Herthaner erneut begann und 70 Minuten mitwirkte, dabei erneut ohne Punkte. Trotz früher Führung unterlag das Team von Coach Osama Nabih mit 1:2 (1:2). Die beiden Ersten der insgesamt sechs Gruppen kommen weiter, dazu die vier besten drittplatzierten Mannschaften. Um dazuzugehören, müssen Telib & Co. nun unbedingt gegen Chile punkten. Die Partie gegen die Gastgeber am Samstag (04.10.25, 01:00 Uhr deutscher Zeit) ist ein echtes Endspiel.

„Auf das Spiel gegen Chile freue ich mich schon sehr! Ich hoffe, dass viele Fans da sind und eine coole Atmosphäre herrscht“, blickt ‚Mimo‘ voraus. Er hält trotz schwieriger Ausgangsposition an der Mission des Teams fest. „Die Gruppenphase zu überstehen und ins Achtelfinale zu kommen, ist unser großes Ziel. Klar, wir treffen hier auf die weltweit besten Spieler aus unserer Altersgruppe. Aber ich möchte so weit kommen, wie es geht“, unterstreicht der Mittelfeldmann den eigenen Ehrgeiz. Die Reise mit Ägyptens Auswahl soll so lange dauern wie möglich – ehe dann wieder das Olympiagelände ruft. 

von Konstantin Keller