
„Man soll aufhören, wenn es am schönsten ist!“
Wichtige Wahlen, Austausch auf Augenhöhe und gelebte blau-weiße Diskussionskultur: Die Mitgliederversammlung ist ein zentrales Element unseres Vereinslebens. Damit die Zusammenkunft der Angehörigen unserer Alten Dame in den gebotenen Bahnen verläuft, beruft Hertha BSC einen Versammlungsleiter. Beinahe zwei Jahrzehnte lang übernahm Dr. Dirk Lentfer diese Aufgabe. Der Rechtsanwalt und Notar wurde mit seiner ruhigen Moderation und sicherem Gespür für die richtige Tonalität zu einem geschätzten Gesicht der Veranstaltungen. Nun gibt er sein Amt an Dr. Roland Kühne weiter. Im Interview mit Redakteur Konstantin Keller blickt Dr. Lentfer zurück auf sein Wirken, besondere MV-Momente und verrät außerdem, woher sein legendäres Glöckchen eigentlich stammt.
Dr. Lentfer, vielen Dank, dass Sie sich die Zeit nehmen! Zum Einstieg: Wie viele blau-weiße Mitgliederversammlungen haben sie insgesamt eigentlich als Versammlungsleiter betreut?
Dr. Dirk Lentfer: Das habe ich nachgeschaut: Es sind insgesamt 36 Mitgliederversammlungen gewesen. Die erste war im Mai 2008, die letzte im Mai 2025. Das sind somit 17 Jahre.
Gab es dabei eine, oder auch mehrere Veranstaltungen, die Ihnen besonders im Gedächtnis geblieben sind?
Dr. Lentfer: Puh, es gibt viele Mitgliederversammlungen, an die ich mich besonders erinnere. Natürlich die erste MV, die ich damals noch an einem Montagabend im ICC leiten durfte – in erster Linie wegen meiner eigenen besonderen Aufregung (schmunzelt). Dann sind mir die verschiedenen Veranstaltungsorte im Gedächtnis geblieben: Die Versammlungen in der Messehalle, während der Corona-Pandemie virtuell in einem improvisierten Sendestudio in der Geschäftsstelle. Dann die denkwürdige Versammlung im Oktober 2020 vor der Ostkurve im Olympiastadion, und natürlich auch im City Cube Berlin. Außerdem sind mir aus der Anfangszeit noch die langen Sitzungen von Montagabend bis zum Teil tief in die Dienstagnacht hinein gut in Erinnerung. Und natürlich kann ich mich auch noch an die Wahlen von Präsidium und Aufsichtsrat erinnern, sowie an die intensiven Debatten um Finanzinvestoren und das neue Stadion.

Besonders bekannt sind Sie bei unseren Mitgliedern für ihre jederzeit ruhige Moderation – und für das Glöckchen, mit dem Sie einschreiten, wenn eine Rednerin oder ein Redner die Sprechzeit allzu freizügig interpretiert. Hatten Sie das eigentlich von Anfang an auf den Veranstaltungen dabei?
Dr. Lentfer: Nein, das Glöckchen war nicht von Anfang an dabei, es kam erst in der zweiten oder dritten Sitzung unter meiner Leitung dazu. Ich meine, das war im Zuge einer Wahl und wegen der Redezeitbegrenzung für die Kandidatenvorstellungen. Das Glöckchen ist übrigens auch nicht meins, tatsächlich kommt es von der Geschäftsstelle, die dieses jedes Mal freundlicherweise bereitgestellt hat. Ich gehe daher davon aus, dass es auch in der anstehenden Sitzung am Samstag wieder dabei sein wird (lächelt).
Sie sind für viele Blau-Weiße ein vertrautes Gesicht. Sind Sie jemals von Herthanerinnen und Herthanern außerhalb von MVs auf ihr Amt angesprochen worden?
Dr. Lentfer: Ja, in der Tat. Vor allem im Stadion bei unseren Heimspielen und gelegentlich auch an Orten, wo ich es nicht unbedingt erwartet hätte – zum Beispiel an einer Tankstelle oder auch mal beim Einkaufen. Es war immer sehr freundlich und respektvoll, worüber ich mich sehr gefreut habe.
Was ist Ihre schönste Erinnerung in Bezug auf Hertha BSC und die MVs?
Dr. Lentfer: Oh, da gibt es viele schöne, das würde hier den Rahmen im Einzelnen sprengen. Aber ein Eindruck zieht sich für mich insgesamt durch die Jahre: Bei aller Unterschiedlichkeit, zum Teil heftigen Meinungsverschiedenheiten und temperamentvollen Äußerungen hat die Mitgliederversammlung immer ein sicheres Gespür dafür gehabt, wann es genug und an der Zeit ist, abzustimmen. Diese soziale Kompetenz in der Situation, der Respekt vor den demokratischen Meinungsbildungsprozessen – das hat mich immer fasziniert und sehr beeindruckt. Davon ein Teil gewesen zu sein, ist für mich die schönste Erinnerung.
Nach 17 Jahren und 36 Versammlungen geben Sie ihre Aufgabe nun weiter. Welche Gründe waren ausschlaggebend für Ihre Entscheidung?
Dr. Lentfer: Nach so langer Zeit halte ich es für gut und richtig, die Dinge geordnet in neue Hände zu legen. Man sagt ja im Volksmund: „Wenn es am schönsten ist, soll man aufhören.“ Ich glaube, dass diese Redensart wahr ist, weil es die Möglichkeit gibt, neue Impulse zu setzen und Weiterentwicklung zu erreichen. Das ist in jedem Bereich wichtig – und es eröffnet auch für Hertha BSC neue Möglichkeiten. Mir ist es eine Ehre gewesen, als Versammlungsleiter meinen Beitrag für den Verein geleistet zu haben und ich freue mich jetzt darauf, die Weiterentwicklung zu beobachten.

Durch Ihre Arbeit haben Sie viele Mitgliederversammlungen mitgeprägt. Was zeichnet einen guten Versammlungsleiter eigentlich aus?
Dr. Lentfer: Diese Person sollte dafür sorgen, dass die Mitgliederversammlung geordnet und zügig abläuft. Es gibt schließlich immer viel zu besprechen und zu entscheiden. In der Versammlung selbst sollen alle Beteiligten die Möglichkeit haben, zur Sache zu sprechen, ihre Meinung angemessen vorzutragen und durch Abstimmungen und Wahlen wichtige Entscheidungen für den Verein zu treffen. Dafür ist es gut, wenn der Versammlungsleiter organisiert, vorausschauend plant und dabei stets sachlich und geduldig ist. Man hat eine dienende Funktion, und wenn man nicht besonders in Erscheinung tritt, ist es eine gute Sitzung.
Beerben wird Sie Dr. Roland Kühne, den Sie bereits aus Ihrem Berufsleben kennen und schätzen. Was zeichnet ihn aus?
Dr. Lentfer: Roland Kühne bringt die eben genannten Voraussetzungen alle mit. Seine präzise und ausgeglichene Art schätze ich sehr, zudem mag ich seinen besonderen Sinn für Humor. Ich bin überzeugt davon, dass er die Mitgliederversammlung auf seine sympathische Art sehr gut leiten wird und wünsche ihm gutes Gelingen, viel Freude – und, dass die Mitglieder ihn so offen und ehrlich aufnehmen, wie sie es damals im Jahr 2008 auch bei mir getan haben.
Sie sind leidenschaftlicher Hertha-Fan und werden auch als normales Mitglied weiterhin zu MVs und natürlich auch ins Stadion gehen. Was würden Sie sich für unseren Verein in Zukunft wünschen? Worauf können sich die Angehörigen unserer Alten Dame freuen?
Dr. Lentfer: Die Mitglieder können sich darüber freuen, dass sich der Verein kontinuierlich weiterentwickelt und das Vereinsleben lebendig bleibt – auf, wie neben dem Platz. Als Herthaner freue ich mich darauf, den Verein weiter mitzugestalten und an seiner Zukunft mitzuwirken. Auch, wenn meine Rolle als Versammlungsleiter jetzt vorbei ist, werde ich an weiteren Mitgliederversammlungen teilnehmen und mich nun eben als einfaches Mitglied im Verein einbringen. Und natürlich möchte ich im Stadion hoffentlich bald die Rückkehr in die Bundesliga feiern. Ha Ho He!